Ein Traum….
Ich sitze am Rande eines alten Kraters.
Ein paar hundert Meter vor mir schiesst der
Vulkan Lava hoch in die Luft
Links neben mir fliesst sie langsam vorbei.
Eine Gluthitze!
Ein Traum ….
Der Anfang.
Vulkane haben immer schon unser "heisses" Interesse geweckt. Daher haben wir uns im Laufe der Jahre schon einige angeschaut oder sind hinaufgeklettert: Poas, Rincon, Irazu und Arenal in Costa Rica, Mayon und Taal auf den Philippinen, Osorno in Chile ... und für dieses Jahr stehen noch Trips zum Haleakala, Mauna Kea, Mauna Loa und Kilauea mit dem aktiven Pu`u `O`o Krater in Hawaii auf dem Programm. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir die Meldungen vom Ausbruch des Ätna am 17. Juli und die dann folgenden Informationen über die Eruptionen mit Spannung verfolgten. Besonders das Internet ist hierfür eine gute Informationsquelle. Die nächsten 2 Satellitenbilder sind aus dem Web geholt: links ist der Austritt der Asche zu sehen, rechts die verschiedenen Eruptionsquellen.
Bald hatten wir eine Site gefunden, wo die Entwicklung der Eruption fast täglich auf den neusten Stand gebracht wird. (http://boris.vulcanoetna.com/ETNA_news.html ). Mit Spannung haben wir die Aktivitäten verfolgt. Eine andere Site www.videobank.it zeigt wirklich spektakuläre "live"-Bilder (streaming video) mit Ton von der Eruption.
Als die Vulkanaktivität nach einigen Tagen noch nicht abgenommen hat, kommt
uns der Gedanke, selbst einmal nachzusehen wie es auf Sizilien aussieht. Warum
auch nicht? Es wäre doch Wahnsinn, tausende von Kilometern nach Hawaii zu
reisen, um etwas von einem aktiven Vulkan sehen zu können (mit dem Risiko, dass
nichts zu sehen ist), und dann, wenn quasi "um die Ecke" die Hölle los ist,
nicht hinzufahren!
Im Internet suchen wir nach Hotels. Da nicht ganz klar ist wie die Situation vor
Ort aussieht, scheint ein Hotel in Nicolosi (das ist die Stadt, auf die sich der
Lavastrome zubewegt und die möglicherweise evakuiert wird), wohl nicht die beste
Lösung zu sein. Deswegen suchen wir weiter in Catania, etwa 30 km vom Ätna
etfernt. Dort ist leider keine günstige Unterkunft mehr zu bekommen.
Schliesslich entscheiden wir uns dafür, doch etwas am Hang des Vulkans zu suchen
und finden endlich ein Zimmer in Viagrande, 10 km östlich von Nicolosi.
Alarm !
Am 31. Juli fliegen wir nach Catania. Wir
haben Glück, dass der Flughafen just an diesem Tag wieder geöffnet wird, nachdem
er wegen des Ascheregens einige Tage geschlossen war. Aus dem Flugzeug sind,
vermutlich wegen der viele Aschepartikel in der Luft, nur Umrisse des Bergs zu
sehen. Übrigens ist der Ätna (3300 Meter hoch und 200 km Umfang) in der flachen
Landschaft nicht zu übersehen.
Abgesehen von der Asche ist der Himmel absolut blau, bei einer Temperatur
von 35 Grad Celsius, was sich auch die ganze Woche nicht ändern wird.
Vom
Flughafen geht es mit dem Mietwagen zum Hotel.
Was auffält sind die grossen Mengen Asche überall
(sehe
hierzu den Unterschied zum Bild rechts oben, mit der tlw. gesäuberten Strasse).
Wie man sieht ist dies absolut nichts Neues .....
Der Mitarbeiter der Autovermietung am Flughafen hat uns empfohlen nach Piano Provenzale zu fahren, das sich hoch an der nordöstlichen Seite des Bergs befindet. Ein Trip, der uns quer durch grosse Lavafelder führt: Reste früherer Eruptionen.
Unterwegs gibt es schon mehr Aussichten auf vulkanische Aktivitäten. Wie wer
auf der Website schon gelesen hatten, gibt es an fünf verschiedenen Stellen
Eruptionen und besonders an einem Krater, hoch oben am Berg, finden grosse
Explosionen statt. In der Website war zu lesen, dass diese Explosionen (die bis
in Catania die Fensterscheiben vibrieren liessen), einmal alle 5 bis 30 Minuten
stattfanden. Jetzt einmal alle 5 bis 30 Sekunden!! Bei jeder Explosion wird
Asche in die Luft geblasen. Absolut spektakulär!
Piano Provenzale befindet
sich aber leider zu hoch am Berg um eine gute Sicht auf die Aktivität an der
Spitze zu bieten und da es für uns auch Zeit zum Essen ist (nicht für die
Sizilianer, sie essen erst um 22:30 Uhr ... dann wären wir aber schon lange
verhungert), enscheiden wir uns wieder Richtung Viagrande zu fahren und irgendwo
unterwegs ein Restaurant zu suchen. Zwischen Milo und Zafferane finden wir eines
mit einer Terasse, welches eine herrliche Sicht auf den explosiven Krater
gewährt. Als es dunkel wird, sehen wir dass durch die Explosionen nicht nur
Asche ausgeworfen wird. Langsam entwickelt sich ein richtiges Schauspiel, mit
grossen Lavafontänen; bei jedem Knall wird Lava hoch in die Luft geschossen, die
dann an den Seiten des Kraters entlang fliesst. Ausserdem sind zwei Lavaströme
zu sehen, die den Berg hinunter fliessen.
Hatten wir vorher noch Zweifel, ob überhaupt etwas zu sehen ist ... allein dieses Schauspiel war die Mühe der Reise wert. Der Camcorder wird auf den Tisch gestellt und filmt fast die ganze Zeit, während wir uns die Pizza schmecken lassen und uns die fantastischen Bilder, die wir sehen, in ihren Bann ziehen. Danach fahren wir zum Hotel zurück; auch von dort sind die Lavaströme deutlich sichtbahr und die Explosionen übertonen die nicht gerade geräuscharme Aircondition.
In der Mitte der Nacht werde ich ziemlich unsanft von Carla wachgerüttelt:
"Wach auf !! Wach auf !! Hörst Du nicht den Alarm?"
Carla springt aus Bett,
rennt zur Aircondition und macht diese zu, um ihren Worten mehr Ausdruck zu
geben.
Eine absolute Stille folgt …… ich bekomme Bauchschmerzen vor
Lachen.
Nicolosi
Am nächsten Morgen fahren wir nach Nicolosi, um herauszufinden ob man sich
den Lavastrom, der dort herunter kommt, auch aus der Nähe ansehen kann.
In der Stadt ist - im Gegensatz zu Informationen aus Presseberichten -
auf keinen Fall eine Massenpanik ausgebrochen. Es hat den Anschein, dass die
Menschen dieses Geschehen eher wie ein schönes Spektakel erleben und auf dem
Dorfplatz ist die Atmosphäre ganz entspannt. Am Stadtrand begegnen wir schon der
ersten Polizeisperre.
Wir parken das Auto und gehen zu Fuss weiter. Etwa eine Stunde und vier
Kilometer weiter ist eine zweite Sperre, die wir nicht passieren dürfen. Im
Gegensatz zu dem was wir erwartet hatten, gibt es hier keine Massenansammlungen
von Touristen, nur einige wenige Leute sind interessiert!
Kontinuierlich regnet es Asche. Der Weg des Lavastroms ist von dieser
Stelle aus deutlich zu sehen. Schätze, wir sind noch mindestens einen Kilometer
davon entfernt.
Auffallend - oder eigenlich eher nicht - ist, dass der Lavastrom aussieht wie ein alter, schon ausgekühlter Strom und man muss sehr genau hingucken, um irgenwo orangefarbene Glut zu entdecken. Das sind nicht die schneller fliessenden Lavaströme die manchmal in Hawaii-Dokumentationen zu sehen sind.
Natürlich finden wir, dass diese Stelle noch immer viel, viel zu weit
entfernt ist.
Es ist zwar möglich über ein altes Lavafeld etwas näher heranzukommen, aber toll
ist das immer noch nicht. Als ein paar Touristen über dieses Lavafeld um die
Sperre herumläuft, beobachten wir, wie die Polizei darauf reagiert. Keine
Reaktion ... also sind auch wir eine Weile später wieder unterwegs.
Wir kommen an eine Gabelung und überlegen welche Richtung wir nehmen sollen.
Ein paar Strassenarbeiter (ja, ja, da wird einfach an der Strasse
weitergearbeit, so nah an der Lava und im Ascheregen) zeigen uns welchen Weg wir
einschlagen sollen. Wir erfahren, dass es bis ganz nach oben noch etwa 14
Kilometer sind ..... wir laufen weiter.
Etwas weiter führt der Weg in den Wald und dieser versperrt die Sicht auf den
Lavastrom.
Nach einiger Zeit sehen wir rechterhand Rauch und uns beschleicht der Gedanke,
dass wir von lauter Baümen den Wald nicht mehr sehen können.
Carla sieht im Wald Feuerwehr und wir entscheiden uns, das selbst zu erforschen.
Wir wandern durch diesen Wald, als uns ein italienisches Paar entgegenkommt und
uns erzählt, dass sich der Lavastrom hinter dem nächsten Hügel befindet, aber
dass es wirklich hochgefährlich ist dorthin zu laufen. Obwohl wir es besser
wissen, gehen wir doch dahin um uns die Lage anzugucken.
Oben angekommen sehen wir etwa 50 Meter unter uns den Lavastrom und realisieren,
dass die Situation wirklich sehr gefährlich ist. Wir stehen hier mitten im Wald
auf einem kleinen Berg an dem der Lavastrom entlang läuft. Der ziemlich kräftige
Wind weht exakt in unsere Richtung und wir hören Geräusche, wobei nicht klar ist
ob diese vom Lavastrom erzeugt werden oder ob es hier in der Nähe brennt.....
wenn es hier tatsächlich zu brennen anfängt, dann werden wir geröstet. Carla
fotografiert und ich bediene den Camcorder für etwa 15 Sekunden, dann fangen wir
an zu rennen. Puuuh.
Zurück auf dem Weg entscheiden wir uns wieder
Richtung Auto zu gehen. Es wird schon spät und mit diesem Ausflug hatten wir gar
nicht gerechnet. Wir hatten nur etwas zu trinken aber gar nichts zu essen
mit.
Als wir einen kleinen unbefestigten Seitenweg passieren, an dem noch ein paar Strassenarbeiter beschäftigt sind, werden wir darauf hingewiesen, dass etwas weiter auch noch einiges zu sehen ist und tatsächlich: ein paar hundert Meter weiter vorn wird dieser Weg von einer 10 bis 15 Meter hohen Lavamauer versperrt.
Zuerst glauben wir auf einen alten Lavastrom getroffen zu sein, bis wir dann irgenwo Rauch sehen! Fakt ist: wir stehen hier am Rand des aktiven Stromes. Glühende Lava kann man von dieser Stelle aus nicht zu sehen, nur etwas Rauch. Wir sind froh, dass hier viele Obstbaüme stehen, somit gibt es auf jeden Fall wieder etwas zu essen. Wir bleiben eine Weile, bis wir vom Ascheregen immer schwärzer und schwärzer werden, bis wir wirklich wie Schornsteinfeger aussehen. Schliesslich laufen wir zurück und machen uns nicht mehr die Mühe die Sperre zu umgehen. Die Polizei reagiert überhaupt nicht; wozu auch, von dieser Seite gibt es keine Sperre!
Wir treffen noch einige Holländer, die uns erzählen dass es, wenn mann in Nicolosi der Strasse in Richtung des nächsten Dorfes folgt, unterwegs ein Abfahrt gibt die direkt bis zur Sperre führt. Shit! Somit sind wir die 4 km umsonst gelaufen und schlimmer noch: diese müssen wir jetzt auch wieder zurück zum Auto. Aber gut zu wissen, dass es überhaupt möglich ist. Die Holländer erzählen auch noch, dass sie in einem nahegelegenen Restaurant gegessen haben. Sie haben die Besitzer angesprochen. Er hat ihnen angeboten, sie auf den Berg zu fahren; da seine Familie dort wohnt, darf er der Sperre passieren.
Absolut neidisch treten wir den langen Weg zurück zum
Auto an.
Zufall
Nach einer doch noch etwas unruhigen Nacht brauchen wir Ruhe und gehen an diesem Tag zum Strand. Wohin wir auch fahren: der Ätna und seine hohe Rauchsäule sind überall sichtbar.
Abends gehen wir wieder - aber dieses Mal ohne die 4 km zu laufen - zur
Polizeisperre in der Nähe von Nicolosi. In der Dunkelheit glühen die Lavaströme
tatsächlich und die Rauchsäulen, die tagsüber zu sehen waren, sind jetzt
Lavafontänen. Das sieht wirklich traumhaft aus!
Ein paar Stunden später ist es wieder Zeit für's Essen. Wir überlegen
uns, ob wir nicht das Restaurant besuchen sollen, von dem wir gestern gehört
haben, aber es gefällt uns irgendwie nicht. So ziehen wir weiter und finden
endlich ein kleines gemütliches Restaurant in Nicolosi.
Carla legt sehr
sichtbar unseren Reiseführer, aufgeklappt ein Bild des Ätna zeigend, auf den
Tisch. " Man weiss nie ob jemand darauf reagiert". Es sagt aber keiner etwas und
wir fragen uns was wir machen müssen um mehr sehen zu können, ohne 14 km den
Berg hoch- und wieder runterlaufen zu müssen.
Kurz nach elf Uhr betreten zwei
Männer das Restaurant. Schwarze Gesichter: diese beiden kommen nicht gerade vom
Strand. Die zwei setzen sich einige Tische von uns entfernt hin und wir können
einige deutsche Wörter aufschnappen, die sich abgwechseln mit einem
Telefongespräch auf italienisch. Wir kommen zu der Überzeugung, dass es durchaus
von Nutzen sein könnte, die beiden mal anzusprechen.
Als es im Restaurant etwas ruhiger geworden ist - wir sind schon einige Zeit mit
dem Essen fertig - gehen wir zu ihrem Tisch und fragen auf deutsch ob unsere
Vermutung stimmt, dass sie aus beruflichen Gründen den Ätna besuchen und ob sie
uns vielleicht sagen können, wie wir uns die Eruption näher anschauen können.
Es folgt einen verwunderter Blick, gefolgt von einem breitem Grinsen. Sie
erzählen uns dass sie Vulkanologen sind und dass der Weg dort hoch gesperrt ist,
mit Ausnahme für die Polizei, Feuerwehr, einige Einheimische und natürlich
Vulkanologen.
Nach weiteren Fragen, ob es wirklich keine andere Möglichkeit
gibt, lautet die Antwort: versucht um die Sperre herumzulaufen und dann die 15
km den Berg hoch. Als Tourist hat mann keine Chance die Sperre mit dem Auto zu
passieren. Für uns also nichts Neues. Mehr als nur etwas enttäuscht
verabschieden wir uns.
Als wir draussen sind unterhalten wir uns noch ein wenig und kommen zu dem
Entschluss, dass wir wirklich nichts unversucht lassen sollten.... wir gehen
zurück ins Restaurant und fragen die Vulkanologen einfach, ob sie uns nicht mit
hochnehmen können. Es folgt ein noch verwunderter Blick als vorher, gefolgt von
einem noch breiterem Grinsen. Dann wird überlegt und es folgt die Antwort: 'Na
gut, aber nur ab der Stelle hinter der Sperre'.
Wir springen fast einen Meter
hoch und setzen uns dann zu ihnen. Die beiden stellen sich vor als Peter Ippach
und Boris Behncke
. Boris Behncke wohnt in Catania und studiert schon zwölf Jahre den Ätna,
Peter Ippach ist ein Bekannter/Kollege aus Deutschland, der ihn für ein paar
Tage besucht. Peter hat in der Vergangenheit Vulkane in Chile studiert, wohnt
jetzt aber wieder in Deutschland. Wir verabreden uns für den nächsten Tag,
15:00. Das war knapp, denn Boris fährt übermorgen in die Toscana und Peter
zurück nach Deutschland. Morgen ist also das letzte Mal, dass sie den Berg
hochfahren. um die Eruption auf 2100 Meter zu sehen, die, wie sie sagen, am
besten von der Seite von Zafferana zu sehen ist.
Wir erfahren dass die Strasse, die bei Nicolosi und bei Zafferana den Ätna
hoch geht, mit dem Touristenkomplex Rifugio Sapienza ungefähr in der Mitte
gelegen, gerade dort vom Lavastrom versperrt wird. Zur Sicherheit, damit nichts
schiefgeht - vielleicht kommt ja irgendetwas dazwischen - gibt Peter uns seine
GSM-Nummer. Gut dass Carla daran gedacht hat Ihr Handy mitzunehmen! So werden
wir ausführlich über den Verlauf der Eruption unterrichtet. Es wird gesagt dass
morgen auch noch ein holländischer Geologe mitkommt. Pfff, haben wir Glück dass
wir die beiden getroffen haben ...
In dieser Nacht machen wir vor lauter
Aufregung kaum ein Auge zu.
Lava
Den nächsten Morgen lassen wir ganz relaxed angehen. Wir holen ein paar Brötchen und haben in der Nähe von Zafferana einen schönen Brunch. Da es so gut wie keinen Wind gibt, fällt kaum Ascheregen und es ist sehr warm. Wir reden darüber wie lange wir oben bleiben wollen - Peter und Boris hatten gesagt dass sie erst im Laufe des Abends zurückgehen werden - also: laufen wir zurück oder bleiben wir und warten bis wir wieder mit herunterfahren können (es ist natürlich am schönsten wenn es dunkel ist)? Wir kommen zu keiner Entscheidung und überlassen es dem Zufall. Wir haben auch keine Vorstellung davon, wie nah wir herankommen und obwohl gesagt wird, es sei nicht gefährlich: ein wenig Angst haben wir schon.
Um 14:00 Uhr rufen wir Peter an, ob die Verabredung noch steht. Antwort : Na klar!
14:15. Wir fahren in der Nähe von Zafferana den Berg herauf, bis zur Polizeisperre auf dieser Seite. Kurz vor der Sperre geht ein Seitenweg in den Wald. Es wird uns wirklich einfach gemacht! Wir parken den Wagen ein wenig weiter, laufen durch den Wald um die Sperre herum und setzen uns nach einer Kurve neben die Strasse, sodass wir von der Sperre aus nicht zu sehen sind.
14:45. Wir sind reichlich früh.
15:00. Noch keiner zu sehen.
15:15. Wahrscheinlich wurden sie aufgehalten.
15:30. Sie haben sich doch keinen Scherz mit uns erlaubt? Wenn sie um 16:00 Uhr immer noch nicht da sind, werden wir Peter wieder anrufen.
15:35. Ein Auto kommt den Berg hoch: keine Bekannten.
15:40. Da kommt wieder ein Auto: es ist tatsächlich der grüne Bus von Peter, gefolgt von einem Fiat Panda. Als Peter uns entdeckt, zeigt er auf uns und brüllt aus dem Fenster Richtung Panda: "Da sind die holländischen Volcanofreaks". Wir leugnen nichts und steigen ein.
Ruhig geht es hoch. Auch hier ist viel Asche auf der Strasse, sodass die
Kurven vorsichtig gefahren werden müssen. Fünfzehn Minuten später sind wir froh
dass wir die ganze Strecke nicht hoch laufen mussten. Die rauchenden Krater sind
jetzt übrigens seeeeehr nah. Nach ganz vielen Kurven sehen wir rechts plötzlich
einen sehr steilen Hügel auf dem oben am Rand ein paar Leute stehen, gerade vor
einer riesigen Rauchsäule. Es sieht unheimlich gefährlich aus und ich zeige
Carla diese Idioten, die absolut lebensmüde sein müssen dort zu stehen. Gleich
danach werden wir gebeten das Auto zu verlassen. Wir sind fast da und es ist
besser dass niemand sieht dass wir mitgefahren sind. Wir laufen also die letzte
Kurve ...... und stehen an der Stelle wo der Lavastrom die Strasse gekreuzt hat.
Links parken einige Autos, u.a. der Bus und der Panda. Rechts ist immer noch der
steile Hügel und geradeaus... nichts als rauchende Lava. Absolut sprachlos gehen
wir die letzten Meter bis an den langsam fliessenden Strom heran. Wie breit ist
der hier? 200 Meter? 300 Meter? Wir sind erstaunt dass die Hitze nicht so
schlimm ist, wie wir erwartet hatten. Auf der anderen Seite versucht man mit
Baggern die Lava vom Rifugio Sapienza wegzuleiten.
Vor lauter Hitze flimmert die Luft und wir können nicht alles genau sehen.
Rechts ist ein Haus halb unter der Lavamasse begraben.
Wow, nicht zu glauben dass wir hier neben dem Lavastrom stehen! Wie nahe wollten wir heran??
Gerade als wir uns ein bischen vom Schock erholt haben, kommt Peter auf uns zu: "Kommt ihr mit hoch?"
........
"Meinst Du wirklich .....?"
"Ja sicher!"
"Aber ist das denn nicht sehr gefährlich?" (an der Sperre von Nicolosi wurden wir gewarnt dass ab und zu Steine herunter kommen könnten ... das war aber viele Kilometer entfernt)
"Ach nee, nicht gefährlich!"
"..............."
"..............."
"OK"
Und so erklimmen wir einen steilen Weg den Hügel hinauf, zu den "lebensmüden Idioten da oben". Wir sind froh dass der Weg ein paar Meter breit ist, denn der Lavastrom fliesst hier direkt neben dem Hügel: hier abzurutschen ist kein Spass.
Es ist ziemlich schwierig durch diesen Lavasand hinaufzuklettern. Der
Ascheregen ist hier noch viel heftiger als in der Nähe von Nicolosi und die
enormen Rauchsäulen sehen bedrohlich aus. Auch die von oben kommenden tiefen
schwerem Atem gleichenden Geräusche, die sich mit Explosionen abwechseln, sind
nicht gerade beruhigend.
Endlich auf dem Gipfel des Hügels angekommen sehen wir folgendes: der Hügel ist kein Hügel sondern ein Kraterrand, der sich bei einer früheren Eruption gebildet hat. Der Rand oben ist zwischen ein und zwei Meter breit: ziemlich schmall im Verhältnis zur Höhe (100 Meter?) und Steilheit. Was uns aber wirklich den Atem raubt, ist die Aussicht auf einen anderen Krater, etwa 150 Meter weiter. Hier steigt eine gigantische Rauchsäule auf und man kann die Lava herunterfliessen sehen. Tatsächlich ist zu hören wie die Lava im Krater brodelt. Von Zeit zu Zeit gibt es Explosionen, die jeweils viele Steine in die Luft schleudert, die dann je mit einem dumpfen Knall in die zentimeterdicke Asche fallen.
Hmmm, wenn einmal eine etwas stärkere Explosion kommt, können wir ganz schön etwas von oben erwarten....
Inzwischen ist es etwa fünf Uhr nachmittags.
Schnell gucken und dann wieder weg kommt schon mal nicht mehr im Frage. Dieses
Schauspiel ist einfach unglaublich; wie muss das erst aussehen wenn es dunkel
wird und der Lavastrom glüht!
Eine italienische Vulkanologin geht vom Gipfel hinunter zum Lavastrom (linkes
Bild). Am Rand ist die Lava erkaltet und starr. Etwas davon entfernt sieht man
die Lava aber langsam vorbeigleiten. Nichtsdestotrotz prüft die Vulkanologin mit
dem Fuss, wo man noch "stehen" kann. "Volkommen verrückt" befindet jeder. Die
Lava hat eine Temperatur von 1200 Grad. Ein kleiner Fehler und der Fuss ist weg.
Wir setzen uns an den Rand des Kraters und lassen, inmitten von kräftigen Ascheregen, giftigem Gas, unheimlichen Geräuschen und Explosionen, die Umgebung auf uns einwirken.
Regelmässig entsteht über dem Lavastrom ein Wirbelwind, der ab und zu auch "unseren" Krater hochrast und alles noch viel staubiger macht.
Ein paar Stunden später (!) geht die Sonne unter.
Carla macht Fotos und ab und zu filme ich - unter einem
Regenschirm - mit dem Camcorder.
Schon lange bevor es richtig dunkel wird, färbt sich die Lava schon
orange. Auch jetzt sehen wir, dass die Explosionen zusammen mit den Lavafontänen
einhergehen. Ein Traum, all dies aus nächster Nähe sehen zu können.
"Sehen" ist hier eigentlich nicht der richtigen Ausdruck.
Dies ist das totale Erlebnis ...... absolut wahnsinnig.... und für immer in
unserem Gedächtnis!
Wie war das nochmal ?
Ein Traum….
Ich sitze am Rande eines alten Kraters.
Ein paar hundert Meter vor mir schiesst der
Vulkan Lava hoch in die Luft
Links neben mir fliesst sie langsam vorbei.
Eine Gluthitze!
Ein Traum ….
Letztendlich sind wir fünf Stunden am Kraterrand gewesen.
Verrückt ist: die Website die uns nach Italien gelockt hat ... ist von Boris!!
Carla & Henk
Vielen Dank an Elke Seeger für die Übersetzung in Deutsch.